Je klarer, desto besser
Karl hat sein 80. Lebensjahr vollendet. Er lässt sich von seinem Freund Friedwart beraten, wie er seinen Nachlass regeln könnte. Friedwart ist das, was man einen „Feld-Wald- und Wiesen-Anwalt“ nennt. Er kennt sich einfach mit allem aus- zwar nicht richtig aber das stört ihn nicht.
Karl ist verwitwet und kinderlos. Er hat 3 Geschwister, von denen aber nur sein Bruder Max eine Tochter hat. Die Tochter heißt Eleonore.
Auf Friedwarts Rat und seinen Vorschlag hin errichtet Karl ein Testament. Er setzt seine Geschwister zu gleichen Teilen als Erben ein und vermacht seiner Haushälterin einen Geldbetrag in Höhe von 20.000 €. Weitere Regelungen trifft Karl nicht. Das Testament wird beim Nachlassgericht hinterlegt.
Unverhofft kommt oft
Max verstirbt unmittelbar nach Errichtung des Testaments. Weil Karl für Friedwarts Dienste jedoch schon sehr viel Geld gezahlt hat, möchte er kein neues Testament errichten. Aus seiner Sicht braucht er das auch nicht. Er geht davon aus, dass Eleonore an die Stelle ihres Vaters tritt. Dies hat er ihr auch auf dem Sterbebett zugesichert.
Als Karl verstirbt und das Testament eröffnet ist, stellt Eleonore den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins. Dieser soll die beiden noch lebenden Geschwister und sie jeweils als Erben zu 1\3 ausweisen. Das Nachlassgericht verweigert die Erteilung des Erbscheins.
Zur Begründung zieht das Nachlassgericht die aus seiner Sicht eindeutige Regelung des Testaments heran. Karl habe bewusst darauf verzichtet, Ersatzerben zu bestimmen. Daher sei Anwachsung eingetreten. Eleonore sei nicht zur Miterbin geworden.
Eleonore hat uns beauftragt, dieser Rechtsauffassung entgegenzutreten. Wir haben -letztlich mit Erfolg- darauf hingewiesen, dass Karl selbstverständlich davon ausgegangen ist, dass an die Stelle seines Bruders Max dessen Tochter Eleonore getreten ist. Er hat aus dieser Vorstellung heraus darauf verzichtet, ein neues Testament zu errichten. Mitunter konnten wir diese Auffassung durch Zeugen belegen, denen gegenüber Karl seine Vorstellungen äußerte.
Am Ende des Verfahrens wurde der Erbschein wie beantragt erteilt. Eleonore ist an die Stelle ihres Vaters getreten und wurde Miterbin zu 1\3. Ohne die klaren Aussagen der Zeugen oder ohne andere Beweise hätte diese Sache auch ganz anders ausgehen können.
Dieser einfache Fall zeigt, wie wichtig es ist, Testamente so klar als möglich zu formulieren und alle naheliegenden Eventualitäten zu berücksichtigen. Von Zeit zu Zeit sollten Testamente auch überprüft werden, ob sie den aktuellen Verhältnissen noch entsprechen.