Strafe muss sein
Anton und Brigitte sind seit 40 Jahren verheiratet. Sie haben 2 Kinder, Antonia und Berthold.
Sie haben vor vielen Jahren ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Sinngemäß haben sie folgendes verfügt:
- Die Eheleute setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein
- Der Längstlebende soll von den gemeinsamen Kindern zu gleichen Teilen beerbt werden.
- Derjenige der Kinder, der nach dem Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, soll auch nach dem Längstlebenden seinen Pflichtteil erhalten. Dies solle geschehen, um dem Überlebenden jedweden Ärger zu ersparen und ihn „in Frieden“ leben zu lassen.
- Der Längstlebende soll jedoch auch abweichend verfügen können – je nach der weiteren Entwicklung des Verhältnisses zu den Kindern.
Anton verstirbt im Jahre 2021. Das Testament wird eröffnet. Die gemeinsame Tochter Antonia möchte sich mit dem Testament nicht zufriedengeben. Sie hält ohnehin nicht viel von ihrer Mutter und befürchtet, dass an deren Lebensende „nichts mehr da ist“.
Lieber den Spatz in der Hand…
Antonia begibt sich in anwaltliche Beratung. Dort wird ihr geraten, zunächst einmal den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten geltend zu machen. So könne sie abschätzen, ob es sinnvoller ist, den Pflichtteil nach dem Vater geltend zu machen und die Pflichtteilsstrafklausel auszulösen oder den Erbfall nach der Mutter abzuwarten und das gesamte Vermögen zu 1\2 zu erben.
Gesagt – getan
Die mandatierte Anwaltskanzlei macht den entsprechenden Auskunftsanspruch geltend. Sie fordert Brigitte auf, ein Nachlassverzeichnis nach Anton zu erstellen. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, fordert Antonia gleich ein notarielles Nachlassverzeichnis.
Nach Vorlage des Nachlassverzeichnisses entschließt sich Antonia, den Pflichtteil doch nicht zu verlangen.
Brigitte hat sich über das Vorgehen so geärgert, dass sie sich umgehend beraten ließ. Sie hat daraufhin ein neues Testament errichtet. Berthold sollte Alleinerbe sein. Antonia sollte nur noch den Pflichtteil erhalten.
Nachdem Brigitte verstorben war, beantragte Antonia einen Erbschein. Sie ließ vortragen, die Pflichtteilsstrafklausel sei nicht verwirklicht worden. Sie habe den Pflichtteil nicht verlangt.
Berthold ließt sich von uns vertreten und ist dem Antrag entgegengetreten. Wir haben dahingehend argumentiert, dass es der Wunsch der Eheleute war, dem Längstlebenden jeglichen Ärger zu ersparen. Hiervon sei auch die Pflicht zur Auskunft an den Pflichtteilsberechtigten erfüllt.
Das Nachlassgericht folgte unserer Argumentation. Unserem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der Berthold als Alleinerbe ausweist wurde stattgegeben.
Fazit: Bereits die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs gegen die Erben kann eine Pflichtteilsstrafklausel auslösen. Maßgeblich sind die entsprechenden Formulierungen. Um die Unsicherheit einer Auslegung zu umgehen, sollte ein Testament so genau als möglich formuliert sein. Lassen Sie sich daher frühzeitig beraten