Vermächtnis oder Verzeichnis – das ist hier die Frage
Immer wieder werden Pflichtteilsberechtigte, beispielsweise Abkömmlinge mit Vermächtnissen bedacht, die der Höhe des Pflichtteils entsprechen. Dies dient dazu, dass die Abkömmlinge nach Versterben des ersten Erbfalls nicht leer ausgehen, der Ehegatte gleichwohl Alleinerbe wird.
Umstritten war bisher, ob dem Abkömmling, der ein Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteils erhält, auch den (vollen) Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB, mithin auch die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses geltend machen kann. Dieser steht grundsätzlich nur dem Pflichtteilsberechtigten zu.
So auch in diesem Fall:
Anton (A) und Monika (M) waren 30 Jahre verheiratet. Sie hatten 2 gemeinsame Kinder. Aus erster Ehe hatte A einen Sohn (S). A wollte seinen Sohn S im Fall seines Ablebens absichern. Gleichzeitig sollte die Firma aber in den Händen der M bleiben.
A und M errichteten sinngemäß folgenden Erbvertrag:
[…] Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Längstlebenden zu unseren Alleinerben ein. Schlusserben nach dem Längstlebenden werden unsere gemeinsamen Kinder. Die Schlusserbenbestimmung erfolgt ohne erbvertragliche Bindung.
Verstirbt A als Erster, so erhält S ein Vermächtnis, welches der Höhe nach seinem gesetzlichen Pflichtteil am Nachlass des A entspricht […]
Nachdem nun der Erbfall nach A eingetreten ist, nimmt S das Vermächtnis an und verlangt Auskunft über den Nachlass seines Vaters und bezieht sich hierbei auf § 2314 BGB. Er nimmt M auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Anspruch. Er müsse ja schließlich seinen Pflichtteil berechnen.
M ist hierüber erbost und meint, sie schulde S überhaupt keine Auskunft. Sie habe ihn noch nie leiden können und verstehe nicht, was er sich eigentlich einbilde.
Wir haben M ausführlich beraten, das Erforderliche in die Wege geleitet und ihr folgendes klargemacht:
Zutreffend ist, dass M keine Auskunft nach § 2314 BGB schuldet. Mithin schuldet sie auch nicht die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Dieser Anspruch steht nur Pflichtteilsberechtigten und gerade nicht Vermächtnisnehmern zu. Dies hat jüngst auch das OLG München so entschieden (OLG München, 33 U 2216/22).
Allerdings steht S ein allgemeiner Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zu. Diesen hat die M zu erfüllen. Wie sie diesen erfüllt, bleibt im Wesentlichen ihr überlassen. Um jedweden Streit zu vermeiden, haben wir anhand der uns vorliegenden Informationen ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis erstellt und S vorgelegt. Anhand dieser Informationen konnte er dann seinen Vermächtnisanspruch beziffern. Raum für das bergehrte notarielle Nachlassverzeichnis bestand keiner. Dem Vermächtnisnehmer, der zugleich auch Pflichtteilsberechtigter ist wird somit ein wichtiges Instrument abgeschnitten – das notarielle Nachlassverzeichnis.
Wir beraten Sie gerne, wie Sie entweder diese Lücke schließen oder sie bewusst zum Schutz der Erben nutzen können. Auch klären wir die Frage, ob Sie das Vermächtnis überhaupt annehmen sollen. Vereinbaren Sie am besten gleich einen Termin zur Beratung unter 0681 3875 1450.