Pflichtteilsansprüche
Der Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzunganspruch kann als „heilige Kuh“ des Erbrechts bezeichnet werden. Diese Ansprüche können nur in Ausnahmefällen umgangen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser dies ausdrücklich wünscht. Aber auch der Sozialhilfeträger kann ein Interesse an den Pflichtteilsnsprüchen haben – gerade im Fall eines sog. Behindertentestaments. Ein Beispiel finden Sie hier.
Pflichtteil
Die grundlegenden Regelungen finden sich in § 2303 BGB:
- Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
- Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.
Pflichtteilsberechtigte
Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten ist abschließend geregelt. Sofern der Erblasser die nachfolgend aufgezählten Personen enterbt hat, steht Ihnen grundsätzlich ein Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch zu:
- Abkömmlinge des Erblasser, gleich ob leiblich oder adoptiert
- Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner
- Eltern des Erblassers
Geschwister und weiter entfernte Verwandte haben keinen Pflichtteilsanspruch.
Wesen des Pflichtteils
Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Es besteht demnach kein Anspruch auf bestimmte Vermögenspositionen. Er richtet sich gegen den oder die Erben. Auch Pflichtteilsansprüche können Erbschaftsteuer auslösen. Wir beraten Sie gerne.
Höhe des Pflichtteilsanspruchs
Der Pflichtteilsanspruch beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Hierzu muss sodann der sog. „Rein-Nachlass“ ermittelt werden.
Beispiele für Pflichtteilsquoten und entsprechende Ansprüche
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- Der Erblasser war in 2. Ehe verheiratet und hatte 3 Kinder aus erster Ehe. Mit seiner zweiten Frau lebte er im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Er setzt seine Ehefrau als Alleinerbin ein. Ohne Testament würde die Ehefrau zu 1\2 erben, die Kinder zu je 1\6. Durch das Testament erbt die Ehefrau alleine. Den Kindern steht jeweils ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1\12 gegen die Ehefrau zu. Beträgt der Rein-Nachlass des Ehemannes 360.000 €, so beträgt der Pflichtteilsanspruch jeweils 30.000 €.
- Der verwitwete Erblasser W hat 3 Kinder, wobei 2 davon aus seiner Sicht „nichts taugen“. Der eine Sohn ist Künstler, der andere ist Rechtsanwalt. Er errichtet ein Testament und enterbt die beiden „ungeliebten“ Kinder. Seine Tochter, die Ärztin ist, setzt er zur Alleinerbin ein. Der Erblasser war vermögend. Sein Nachlass hat einen bereinigten Wert von 1,2 Mio. €.Ohne Testament hätte jedes der Kinder 1\3, mithin 400.000 € geerbt.
Mit dem Testament verbleibt den Söhnen nur der Pflichtteil. Dieser beläuft sich auf 1\6, immerhin noch 200.000 €.
Ermittlung des Rein-Nachlasses
Häufig haben Pflichtteilsberechtigte nicht die Kenntnisse hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses. Daher haben die Pflichtteilsberechtigte umfassende Auskunftsansprüche gegen den oder die Erben. Dies ergibt sich aus § 2314 BGB.
Möglicherweise kommt es für den Pflichtteilsergänzungsanspruch auf den fiktiven Nachlass an. Lebzeitige Schenkungen sind ggf. zu berücksichtigen – hierzu folgendes Beispiel
Nachlassverzeichnis einfordern
Im Wesentlichen bestehen 3 Möglichkeiten, an die begehrten Auskünfte zu kommen:
Privatschriftliches Nachlassverzeichnis
Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass ihm durch die Erben umfassend Auskunft hinsichtlich Aktiva und Passiva erteilt wird. Sind die Erben kooperativ, so reicht dies in den meisten Fällen aus.
Notarielles Nachlassverzeichnis
Der Pflichtteilsberechtigte kann auch ein Nachlassverzeichnis verlangen, das durch einen Notar errichtet wurde. Dies kann er entweder von vornherein verlangen. Er kann es aber auch verlangen, wenn das privatschriftliche Nachlassverzeichnis unvollständig ist oder Anlass zur Unglaubwürdigkeit gibt.
Achtung: Die Kosten trägt der Nachlass. Somit ist auch der Pflichtteilsberechtigte an den Kosten anteilig zu beteiligen.
Stufenklage
Die Stufenklage ist das schärfste Schwert, um an die begehrten Auskünfte zu gelangen.
Sie besteht aus 3 Stufen:
In der ersten Stufe wird die Erteilung der erforderlichen Auskünfte verfolgt
In der zweiten Stufe kann der Erbe zur eidesstattlichen Versicherung seiner Angaben verpflichtet werden. Spätestens dann wird er sich überlegen, ob seine Angaben tatsächlich wahrheitsgemäß und vollständig waren.
In der letzten Stufe wird dann die Zahlung der zuvor festgestellten Ansprüche verfolgt.
Welcher Weg der Richtige ist, die begehrten Auskünfte zu erlangen, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Hierbei sind auch mögliche Kosten im Auge zu behalten.
Achtung: Vorsicht ist geboten, wenn Testamente eine Pflichtteilsstrafklausel enthalten. Bereits die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs kann eine solche Klausel verwirklichen ! Wir beraten Sie ausführlich und prüfen mögliche Risiken.
Verjährung der Pflichtteilsansprüche
Pflichtteilsansprüche verjähren in 3 Jahren ab Entstehung und Kenntnis. Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall. Der Pflichtteilsberechtigte erlangt Kenntnis, sobald er davon erfährt, dass er enterbt ist. Ab wann von einer “Kenntnis” ausgegangen werden kann, sorgt immer wieder für Streit und beschäftigt die Gerichte, so auch neuerlich wieder das OLG München.
Im Zweifel sollten Sie keine Zeit verlieren und einen Termin zur Beratung vereinbaren. 0681 3875 1450
Weitere Informationen finden Sie hier zum Download
Wer erhält den Pflichtteil?
Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkelkinder, etc.), die Eltern und der Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner des Erblassers.
Wer muss den Pflichtteil bezahlen?
Grundsätzlich ist der Pflichtteilanspruch gegenüber dem Erben/der Erbengemeinschaft geltend zu machen.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteilsanspruch entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Was soll ich tun, wenn mir keine Auskunft erteilt wird ?
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, von den Erben die erforderlichen Auskünfte zu erhalten. Notfalls können die Ansprüche auch gerichtlich durchgesetzt werden.