Pflichtteilsergänzungsansprüche
Die Regelungen zum Pflichtteil sind schon schwierig – noch schwieriger wird es beim Pflichtteilsergänzungsanspruch. Deshalb folgendes…
Einführendes Beispiel zum Pflichtteilsergänzungsanspruch
Witwer W hat 2 Kinder und eine Geliebte. Letztere will er heiraten. Am Stammtisch hat er nämlich gehört, dass dann der Freibetrag der Erbschaftsteuer viel höher sei. Er hat weiterhin davon gehört, dass seinen beiden „undankbaren“ Kindern trotzdem der Pflichtteil zusteht, selbst wenn er seine dann neue Ehefrau als Alleinerbin einsetzt.
Er hat eine Idee:
W heiratet seine Geliebte. Er überträgt ihr nach der Hochzeit sein Hausanwesen, sowie sein Barvermögen. Dann gehen die Kinder –so denkt er- leer aus.
Leider ist die Idee –wie so viele Stammtischgespräche- nicht zu Ende gedacht:
Den Kindern steht der Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe des eigentlichen Pflichtteilsanspruchs zu. Im Erbfall richtet sich dieser Anspruch gegen die Geliebte. Ihr kommen die Regelungen zur Abschmelzung nicht zu Gute. Diese finden bei ehebedingten Zuwendungen keine Anwendung.
Wesen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist in § 2325 BGB geregelt. Er weist einige Parallelen zum Pflichtteilsanspruch auf. Daher beschränken wir uns darauf, die wesentlichen Unterschiede darzustellen:
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch schützt Pflichtteilsberechtigte vor einer Aushöhlung durch lebzeitige Schenkungen.
- Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ergibt sich aus einem sog. „fiktiven Nachlass“. Dieser wird gebildet durch einen Vergleich zwischen der Vermögenslage ohne die Schenkungen und der Vermögenslage mit den Schenkungen. Berücksichtigt wird die Vermögenslage, die ohne die betreffenden Schenkungen vorliegen würde. Hieraus errechnet sich dann der Pflichtteilsergänzungsanspruch.
- Lebzeitige Schenkungen werden nicht immer in voller Höhe berücksichtigt. Sie unterliegen der sog. „Abschmelzung“. Dies bedeutet, dass der zu berücksichtigende Wert einer Schenkung sukzessive abnimmt. Sind 10 Jahre vergangen, so werden Schenkungen nicht mehr berücksichtigt.
Ausnahme: Bei Schenkungen unter Eheleuten beginnt die Abschmelzung erst mit Auflösung der Ehe, d.h. u.U. erst mit dem Tod des Erblassers.
Die Quote des Pflichtteilsergänzungsanspruchs entspricht derjenigen des Pflichtteils, mithin grundsätzlich 50 % des gesetzlichen Erbteils.
Geltendmachung
Die Geltendmachung folgt im Wesentlichen den Regelungen zum Pflichtteil. Diese beiden Positionen werden in der Regel gemeinsam geltend gemacht. Daher verweisen wir auf die dortigen Ausführungen.
Achtung:
- Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt nach 3 Jahren, gerechnet ab Entstehung des Anspruchs (Erbfall) und Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen (Enterbung, lebzeitige Vermögensverschiebungen) ! Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch können unterschiedlich verjähren.
- Auch Pflichtteilsergänzungsansprüche lösen u.U. Erbschaftsteuer aus, sofern relevante Freibeträge überschritten werden.
- Auch der Pflichtteilsergänzungsansruch kann nur unter engen Voraussetzungen umgangen bzw. gemindert werden.
- Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht nur bei Schenkungen. Stehen der Leistung adäquate Gegenleistungen gegenüber, so entsteht der Anspruch nicht!
Schmälerung durch Schenkungen nach § 2327 BGB
Zu berücksichtigen ist auch, dass sich der Berechtigte Schenkungen ggf. nach § 2327 BGB anrechnen lassen muss – und zwar in voller Höhe! Hierzu folgendes Beispiel.
Hintergrund ist, dass der Pflichtteilsergänzungsberechtigte nicht nur von Schenkungen an Dritte profitiert, sondern seine eigenen Schenkungen auch berücksichtigt werden. Mitunter kann dies ein interessantes Gestaltungsmittel im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge sein.
Pflichtteilsergänzungsansprüche und Lebensverischerungen
Immer wieder zu Streit führt die Behandlung von Lebensversicherungen zu Gunsten Dritter – meist der Erben. Hierbei ist zu unterscheiden, ob es sich um kapitalbildende Lebensversicherungen mit einem definierten Rückkaufwert oder um eine reine Risiko-Lebensversicherung handelt. Letztere hat keinen Rückkaufwert und ist somit auch nicht dem maßgeblichen fiktiven Nachlass hinzuzurechnen. Dies ist zwar gängige Praxis und überwiegende Auffassung. Gleichwohl hat sich u.a auch das OLG Saarbrücken in seiner Entscheidung vom 05.08.2022 (5 W 48/22) wieder einmal mit dieser Problematik auseinandergesetzt.
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