Vorweggenommene Erbfolge – Wohnrecht / Nießbrauch
Gerade dann, wenn der Nachlass umfangreich (werthaltig) ist, bietet es sich an, sich frühzeitig Gedanken um entsprechende Regelungen zu machen. Eine Möglichkeit ist die vorweggenommene Erbfolge. Diese wird auch als „Übergabe mit warmer Hand“ bezeichnet.
Gemeint ist damit, dass der Erblasser bestimmte Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten auf seine späteren Erben überträgt. Häufigster Fall ist die Übertragung von Immobilien.
Varianten der Übergabe mit warmer Hand:
Entweder kann der Erblasser seine Immobilie „einfach so“ auf seine späteren Erben übertragen. Dann jedoch verliert er die Kontrolle über die Immobilie und ist der Gunst seiner späteren Erben mehr oder weniger ausgesetzt.
Eine weitere Alternative –die weitaus sinnvollere- besteht darin, dass sich der Erblasser ein lebenslanges Wohnrecht oder ein Nießbrauchsrecht vorbehält.
Lebenslanges Wohnrecht:
- Schließt den Eigentümer aus
- Begünstigt den Erblasser persönlich bzw. nahe Angehörige
- Ermöglicht in der Regel nur die persönliche Nutzung
- Ungeeignet bei vermieteten Immobilien
Nießbrauchsrecht:
- Schließt den Eigentümer aus
- Begünstigt den Erblasser persönlich
- Ermöglicht größtmögliche Freiheit für den Erblasser
- Die Immobilie kann vermietet oder auch selbst genutzt werden. Der Erblasser behält seine Mieteinnahmen
Welche Variante vorzugswürdig ist, hängt vom Einzelfall ab. Diese Entscheidung sollte erst nach reiflicher Überlegung und umfassender Beratung getroffen werden.
Auch Pflichtteilsergänzungsansprüche können eine wesentliche Entscheidungshilfe darstellen – ggf. können diese gemindert oder gar verhindert werden. Voraussetzung ist, dass kein grobes Missverhältnis zwischen Leistung (Übertragung der Immobilie) und Gegenleistung (Einräumung verschiedener Rechte) besteht.
Durch die richtige Auswahl kann in der Regel zumindest die sog. “Abschmelzung” des Wertes von Schenkungen in Anspruch genommen werden.
Gemeinsame Vorteile:
-
- Freibeträge können optimal ausgenutzt werden
- Erblasser bleibt „Herr im Haus“ – Achtung: Hier lauert eine böse Falle in Bezug auf die sog. Abschmelzung bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen
- Wohnrecht und Nießbrauchsrecht mindern den Wert der Schenkung. Dies schont Freibeträge.
- Pflichtteilsergänzungsansprüche “ungeliebter” Angehöriger können unter bestimmten Voraussetzungen gemindert werden.
Bewertung eines Wohnrechts / Nießbrauchsrechts:
Wie stark der Wert der Schenkung gemindert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Oftmals kann eine erhebliche Minderung erreicht werden.
- Zunächst wird ein Jahreswert errechnet. Dieser sagt aus, welchen Wert das Recht des Erblassers pro Jahr hat.
- Sodann wird dieser Wert mit einem Vervielfältiger aus der sog. „Sterbetafel“ multipliziert.
- Hieraus kann der Wert des Rechts und damit die Minderung des Werts der Schenkung errechnet werden.
Beispiel:
Witwe W hat das 70. Lebensjahr vollendet. Sie schenkt ihrem Sohn ein 3-Familien-Haus mit einem Mietvertrag von 10.000 €/Jahr und einem Wert von 300.000 €. Sie behält sich ein Nießbrauchsrecht vor.
Für eine 70-jährige Frau beträgt der Vervielfältiger im Jahre 2019 11,127.
Das Nießbrauchsrecht hat demnach einen Wert von 11,127 X 10.000 € = 112.700 €.
Um diesen Wert wird die Schenkung in Höhe von 300.000 € geschmälert. Es sind „nur“ 188.730 € an Freibetrag verbraucht. Es Vorweggenommene Erbfolge noch 211.270 € Freibetrag. Dies wird dann besonders relevant, wenn W kurz nach der Schenkung versterben sollte.
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Bildquellen
- Übergabe mit warmer Hand: Philip Steury/shutterstock.com