Schenken will gelernt sein
Manche Irrtümer und Fehlvorstellungen über das Erbrecht halten sich hartnäckig. Dass Kinder und Ehegatten im Erbfall in der Regel nicht komplett leer ausgehen, ist bekannt. Mitunter entstehen dann Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass diese Ansprüche durch lebzeitige Schenkungen umgangen werden können. Dies stimmt zum Teil auch und ist von verschiedenen Faktoren abhängig.
Aber: unter bestimmten Voraussetzungen sind solche Schenkungen auf den einstigen Erbteil anzurechnen. § 2050 BGB regelt das Nähere. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Hierzu folgendes Beispiel:
„Schenkung zur vorweggenommenen Erbfolge“
Amalie (A) ist seit 25 Jahren verwitwet und hat zwei Söhne, Bertram (B) und Conrad (C). Das Verhältnis der A zu C ist seit dem Tod des Vaters (V) merklich abgekühlt. B kümmert sich aufopferungsvoll um A. Er hat sie sogar bei sich im Haus aufgenommen.
A lässt sich beraten, wie sie ihren Nachlass regeln kann. Sie würde C gerne enterben. Da A und V ein „Berliner Testament“ errichtet hatten und bindend die beiden Söhne als Schlusserben nach dem Längstlebenden zu je ½ eingesetzt haben, kann A nicht mehr abweichend testieren – sie kann C nicht mehr wirksam enterben. B und C werden die A zu gleichen Teilen beerben.
Soweit so frustrierend
A hatte die Idee, dem B bereits zu Lebzeiten erhebliche Vermögenswerte zu übertragen. So wird der Nachlass der A weniger wert und an C fließt im Ergebnis auch weniger. So hat sie dies auch umgesetzt mit Hilfe Ihres alten Squash-Kameraden Friedwart Grün, dem selbst ernannten Erbrechts-Papst aus Saarbrücken.
Nicht zu Ende gedacht
Diese Idee mag auf den ersten Blick charmant sein. Jedoch ist sie nicht zu Ende gedacht. Dies aus gleich zwei Gründen:
Keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr
Zwar konnte die A den C nicht mehr enterben (Bindungswirkung). Faktisch muss ihm in jedem Fall ein Erbteil verbleiben, der wertmäßig seinem Pflichtteil entspricht. Ist dies nicht der Fall, so können ihm Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen, wenn der Nachlass durch lebzeitige Schenkungen „entwertet“ wird. Nach 10 Jahren ist Schluss. So auch hier. Der Erbfall ist 13 Jahre nach der Schenkung eingetreten.
Aber – Anrechnung gemäß § 2050 III BGB
B hat sich unter bestimmten Voraussetzungen aber auch nach 10 Jahren Schenkungen anrechnen zu lassen auf seinen Erbteil an dem dann noch vorhandenen Nachlass. So auch im konkreten Fall:
Problematisch ist die im Schenkungsvertrag gewählte Formulierung
„Im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge“
Die Formulierung ist durch das Gericht auszulegen. Ohne nähere Erläuterungen oder Andeutungen im Testament, was mit der Formulierung eigentlich gemeint ist, gelangte das Gericht zu der vertretbaren Überzeugung, dass A den B gerade nicht bevorteilen wollte. Sie wollte die Schenkung an B genau so verstanden wissen, als hätte dieser die Vermögenswerte erst im Zeitpunkt des Erbfalls erhalten. Dann wäre dem C zumindest sein Pflichtteil am gesamten Nachlass erhalten geblieben. A hatte somit durch die Formulierung “im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge” eine Anordnung zur Anrechnung getroffen.
Fazit: Sollen mit Schenkungen zu Lebzeiten bestimmte Folgen herbeigeführt werden, so sind diese auch eindeutig zu benennen. Erfolgt dies nicht, so läuft der Erblasser Gefahr, dass seine Erklärungen ausgelegt werden. Ob die Auslegung immer seinem Willen entspricht, mag dahingestellt sein. Ausreichend ist, dass die Auslegung durch das Gericht zu einem vertretbaren Ergebnis führt.
Vor Gericht und auf hoher See…
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