Pflichtteilsentziehung – ein Ausnahmefall
Immer wieder tauchen Konstellationen auf, in denen Erblasser (meist unwirksam) Pflichtteilsansprüche entzogen haben bzw. der Meinung waren, dies getan zu haben.
Der Pflichtteil darf getrost als “heilige Kuh” des Erbrechts bezeichnet werden. Demnach ist es auch nur konsequent, dass seine Versagung bzw. die Entziehung der Ausnahmefall bleiben muss. Gesetzgeber und Rechtsprechung stellen sehr hohe Anforderungen an eine wirksame Entziehung. Daher sollte jede Entziehung im Vorfeld geprüft werden. Aber auch wer von einer (vermeintlich wirksamen) Entziehung betroffen ist, sollte sich fachkundig beraten lassen!
Nicht ausreichend ist z.B. der Verweis auf “strafrechtliches Verhalten” des Pflichtteilsberechtigten (OLG Düsseldorf, I-7-U 134/18). Der zugrunde liegende Sachverhalt ist möglichst umfassend und bestenfalls mit Beweisen und/oder Zeugen wiederzugeben.
Für den Fall einer Verzeihung sollte auch diese hinreichend protokolliert werden; im Zweifel trifft den Pflichtteilsberechtigten die volle Beweislast!
Beispiel für eine unwirksame Entziehung
Drum prüfe wer sich ewig bindet…
E und seine Frau F haben 2 gemeinsame Kinder. Sie sind seit 40 Jahren verheiratet. Das Verhältnis zwischen E und seiner Ehefrau war die letzten 10 Jahre mehr als abgekühlt. Zu einer Scheidung konnte sich keiner der Beiden durchringen. Beide leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ein Testament haben sie nicht errichtet. Es kommt wie es kommen muss: E -selbst ein notorischer Fremdgänger- findet heraus, dass seine Frau seit 5 Jahren ein Verhältnis mit seinem besten Freund unterhält.
E hat eine besonders „kluge“ Idee und will für alle Fälle vorsorgen.
- E will sich nicht scheiden lassen. Wenn er seine Frau überlebt, erbt er immerhin noch 1\2 von deren umfangreichem Vermögen.
- Für den Fall, dass E vor seiner Frau verstirbt, will er sie nicht nur enterben. Er will ihr auch den Pflichtteil entziehen. Dieser würde immerhin noch 1\4 betragen.
- Nach Beratung durch seinen Squasch-Kameraden und Rechtsanwalt Friedwart Grün verfasst er sinngemäß folgendes Testament
Die Idee war nur auf den ersten Blick gut. Das Verhalten der F rechtfertigt keine Entziehung des Pflichtteils. § 2333 BGB ist abschließend. Die Entziehung ist unwirksam.
Beispiel für eine wirksame Entziehung
Von Vätern und Söhnen
E’s Squasch-Kamerad Friedwart stand ein Leben lang im Schatten seiner Vaters Gernot. Auch dieser war Rechtsanwalt und äußerst geachtet. Irgendwann konnte Friedwart dies nicht mehr verkraften und versuchte, seinen verwitweten Vater zu vergiften. Er fasste den Plan, Gernots Rotwein mit einem heimtückischen Gift zu versetzen. Gernot erwischte ihn auf frischer Tat.
Gernot ließ durch seinen Freund und Notar Siegwart folgendes Testament beurkunden:
[…]- Zu meinem Alleinerben setze ich meinen Sohn Hans-Peter Dunkel-Grün ein.
- Meinen Sohn Friedwart Grün enterbe ich und entziehe ihm den Pflichtteil. Er hat am 01.02.2021 gegen 20.00 Uhr versucht, mir mit einem heimtückischen Gift das Leben zu nehmen. Hierbei wurde er von mir und meiner Haushälterin auf frischer Tat ertappt. Er tat dies mit der Absicht (dolus directus I. Grades) meinem Leben ein Ende zu bereiten. Diesem Testament ist eine Versicherung an Eides statt meiner Haushälterin Monika L, sowie ein toxikologisches Gutachten über den vergifteten Rotwein beigefügt.
Diese Entziehung ist wirksam. Eine Verzeihung lag bis zum Tod des Erblassers nicht vor. Friedwart wird (zu Recht) leer ausgehen. Genau solche Fälle erfasst § 2333 BGB.
Wir beraten Sie und prüfen ggf. ob eine Entziehung wirksam ist. Vereinbaren Sie am besten gleich einen Termin zur Beratung